Für eine gute Zukunft:
Warum junge Menschen von Staatsverschuldung profitieren
Gastbeitrag im Vorwärts.
Für eine lebenswerte Zukunft braucht es Investitionen, keine Schuldenbremse.
Junge Menschen könnnen von Staatsverschuldung sogar profitieren, meinen Carl Mühlbach und Philip Schüller.
Wie soll Deutschland in Zukunft aussehen? Die SPD benennt in ihrem Zukunftsprogramm wichtige Herausforderungen und beschreibt notwendige Investitionen, damit der sozial-ökologische Umbau der Wirtschaft gelingen kann. Um diese zu finanzieren, sollen laut Zukunftsprogramm „die verfassungsrechtlich möglichen Spielräume zur Kreditaufnahme” ausgeschöpft werden. Das ist ein richtiger erster Schritt, allerdings müssen die rechtlichen Spielräume dringend erweitert werden. Die Schuldenbremse droht in ihrer jetzigen Form primär zu einer Investitionsbremse zu werden.
Gute Finanzpolitik orientiert sich an der Zukunft
Eine Politik, welche die Schuldenbremse über dringend notwendige Investitionen stellt, kann nicht im Interesse unserer Gesellschaft sein. Denn was hilft der viel beschworenen schwäbischen Hausfrau das Sparen, wenn gleichzeitig ihr Haus verfällt? Wenn das Dach kaputt ist, die Kabel porös sind und die Ausstattung nicht mehr dem gültigen Standard entspricht, muss gehandelt werden. Ein Abwarten würde die Investitionskosten um ein Vielfaches erhöhen. Privathaushalte nehmen daher Modernisierungskredite auf. Das Sanierungsbeispiel lässt sich auch auf die Situation in Deutschland übertragen. Das Dach unseres metaphorischen Hauses entspricht dem Klima unserer Erde. Die alten Kabel stehen für die Mängel in der Infrastruktur und der Digitalisierung. Und auch im Bildungsbereich ist die fehlende Ausstattung unübersehbar.
Insgesamt werden in den nächsten 10 Jahren 450 Milliarden Euro an zusätzlichen öffentlichen Investitionen benötigt. Gute Finanzpolitik muss sich an den wichtigen Fragen der Zukunft orientieren. Falls der Staat wartet, bis diese Summe angespart wäre, steht das Haus unter Wasser und ist nicht mehr bewohnbar. Die dringend notwendigen Investitionen müssen jetzt getätigt werden, zudem hat Staatsverschuldung ihr negatives Image zu Unrecht. Daher sollte sich der Staat verschulden, um diese Herausforderungen zu bewältigen und deutlich höhere Folgekosten abzuwenden.
Junge Menschen profitieren von Staatsverschuldung
Geht es um Schwarze Null und Schuldenbremse, wird oft mit den Interessen künftiger Generationen argumentiert, da diese die Staatsverschuldung zurückzahlen müssten. Diese Aussage ist irreführend. Der Staat wird dabei mit Privatpersonen verglichen. Natürlich wollen diese ihre Schulden abbezahlen, bevor sie in Rente gehen und weniger Einkommen zur Verfügung haben. Das ist sinnvoll und richtig. Doch der Staat ist kein privater Haushalt, der in Rente geht, und Staatsschulden sind kein Kredit bei der Sparkasse.
Staatsverschuldung muss nicht im privatwirtschaftlichen Sinne abgebaut werden. Denn der Staat kann auslaufende Schulden einfach bedienen, indem er neue Schulden in gleicher Höhe aufnimmt. Dieses Vorgehen nennt sich Überwälzen. Wenn die absolute Höhe der Schulden dabei anwächst, ist das kein zwingender Grund zur Sorge, da auch Wirtschaftskraft und Steuereinnahmen mit der Zeit steigen. Die sogenannte Schuldenquote misst den Anteil der Staatsschulden an der Wirtschaftskraft und ist von 2011 bis 2019 von 81 Prozent auf 60 Prozent gefallen. Die Schwarze Null ist jedoch für weniger als fünf Prozentpunkte des Rückgangs verantwortlich. In erster Linie sind wir aus den Schulden herausgewachsen. Langfristig ist sogar ein dauerhaftes Haushaltsdefizit nachhaltig, solange die Staatsverschuldung nicht stärker als die Wirtschaft wächst.
Wir sollten uns bei Staatsverschuldung nicht von großen Zahlen oder irreführenden Mythen blenden lassen. Die einzigen tatsächlichen Kosten von Staatsverschuldung sind die Zinskosten. Deren Anteil an den Steuereinnahmen ist jedoch seit Mitte der 1990er Jahre gefallen. Die Corona-Schulden haben dem Bund aufgrund der Negativzinsen sogar Einnahmen verschafft. Die Kosten ausbleibender Investitionen sind dagegen gewaltig. Wenn der Staat Schulden aufnimmt, um sinnvolle Investitionen zu finanzieren, profitieren künftige Generationen unter dem Strich.
Niemand freut sich in 50 Jahren über niedrige Staatsschulden, wenn wir keinen lebenswerten Planeten mehr haben. Das Zukunftsprogramm der SPD zeigt, dass sie die wichtigen Herausforderungen erkannt hat. Doch notwendige Investitionen dürfen nicht auf dem Altar der Schuldenbremse geopfert werden. Initiativen wie FiscalFuture zeigen, dass sich gerade junge Menschen mehr Mut wünschen. Statt die „verfassungsrechtlich möglichen Spielräume zur Kreditaufnahme” lediglich auszuschöpfen, sollten sie auf die ökonomisch sinnvollen Spielräume erweitert werden. Die Schuldenbremse darf keine Investitionsbremse werden.
Die notwendigen Investitionen können zu einem Spottpreis finanziert werden, da sich der Staat momentan zu negativen Zinsen Geld leihen kann. Wir müssen uns nur von dem irreführenden Bild von Staatsverschuldung als Schreckgespenst lösen. Es wird Zeit, denn wir können uns das Sparen nicht mehr leisten.